BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Kreisverband Haßberge

Gefahr für die Haßberg-Kliniken?

Grüne, Linkes Bündnis und ödp begründen ihre Kritik an Freihandelsabkommen

Quelle: Haßfurter Tagblatt


Rund 50 Leute kamen zu der Informationsveranstaltung, die drei Parteien gemeinsam organisiert hatten. Bündnis 90/Die Grünen, die Linke und die ödp luden zu dem Abend im Goger-Saal in Sand, um über die geplanten Freihandelsabkommen TTIP und CETA zu sprechen. „Es sind mehr Leute gekommen, als ich befürchtet hatte“, sagte Matthias Lewin von den Grünen, der die Veranstaltung mitorganisiert hatte. „Aber es ist schade, dass nicht ein einziger Bürgermeister da war.“
Ausdrücklich verwies er auf eine europäische Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA und rief dazu auf, diese zu unterzeichnen und andere dazu aufzurufen. Heftige Kritik äußerten er und andere auch daran, dass ein Aufgreifen des Freihandelsabkommens als Thema im Kreistag kurzfristig wieder von der Tagesordnung für den 8. Dezember genommen wurde.
Vor dem Einstieg in die Diskussion zeigten die Veranstalter den kurzen Film „ISDS: Das Unrechts-System der Konzerne“. Er beschäftigte sich mit Investor-state dispute settlement (ISDS), also der Möglichkeit von Konzernen, gegen Entscheidungen nationaler Regierungen zu klagen. Ein Beispiel hierfür ist die Klage eines Energiekonzerns, der vor einem Schiedsgericht versucht, gegen die Energiewende in Deutschland vorzugehen. Viele Kritiker befürchten, Freihandelsabkommen könnten zu noch mehr derartigen Klagen führen.


Dann kamen die Wortbeiträge. Dr. Martin Sage, Redaktionsleiter des Haßfurter Tagblatt, moderierte den Abend, an dem sich Vertreter der drei Parteien erst seinen Fragen, dann denen des Publikums stellten. Sage ging dabei nicht auf Kuschelkurs mit den Politikern, sondern stellte auch kritische Fragen, die sie zwangen, ihre Position zu rechtfertigen. Zu Beginn zitierte er eine Studie, die zum Ergebnis kam, ein Freihandelsabkommen mit den USA würde den weltgrößten Binnenmarkt schaffen, was hohe wirtschaftliche Gewinne und viele neue Arbeitsplätze bringe. Zudem habe Wirtschaftsminister Gabriel angekündigt, es werde weder die gefürchteten Chlorhühnchen noch sonstige Standardsenkungen geben. „Sind sie also heute ganz umsonst aus München hierhergekommen?“, fragte er die Landtagsabgeordnete Kerstin Celina.
Die Grünen-Politikerin erwiderte, es gebe auch Studien, die zu wesentlich pessimistischeren Ergebnissen kämen. „Ich bin selbst Diplom–Volkswirtin. Und ich kann nicht sagen, welche Vorhersage stimmt“, sagte sie. Allerdings warf sie die Frage auf, ob es wirklich sinnvoll wäre, für mögliche Zugewinne auch die Nachteile des Abkommens in Kauf zu nehmen. Dieter Sauer, der als Mitglied des ödp-Kreisvorstands seine Partei vertrat, gab zu bedenken, dass freier Handel auch zu einem Wegfall von Zöllen führe, die dann in den Haushalten fehlten. Norbert Zirnsak vom Linken Bündnis Haßberge betonte, für ihn stehen die Fragen nach Demokratie und Arbeitnehmerrechten im Vordergrund. Diese sehe er durch TTIP bedroht, besonders durch die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen.
Mehrfach kam in der Diskussion das Amerika-Bild der Europäer zur Sprache. Moderator Martin Sage fragte die Besucher, wer denn eigentlich schon einmal in den USA war – kein Einziger meldete sich. Sage betonte, es gebe dort viel Armut, die in den Hollywoodfilmen nicht vorkomme. Kerstin Celina, die selbst in den Vereinigten Staaten studiert hatte, betonte zudem, auch wenn sie das Land möge, gebe es große Unterschiede in der Denkweise. So werde in Europa bereits bei der Herstellung eines Produktes versucht, alle Risiken auszuschließen. In den USA sei es hingegen üblich, Dinge erst zu verbieten, wenn sie erwiesenermaßen schädlich sind. Dies führe zu einem sehr unterschiedlichen Umgang mit Themen wie Gentechnik oder der oft zitierten Desinfektion von Hühnerfleisch mit Chlor.
Auch die Angst vor Klagen gegen nationale Gesetze, die aus Sicht eines Konzerns einen „Bruch legitimer Erwartungen“ darstellten, wurde noch einige Male angesprochen. So sei nicht nur möglich, dass vor den Schiedsgerichten gegen die Energiewende vorgegangen wird. Auch ein Verbot der Erdölförderung durch das umstrittene Fracking könnte dadurch verhindert werden, ähnlich wie der kürzlich in Deutschland beschlossene Mindestlohn.
Eine weitere Bedrohung sehen TTIP-Kritiker in der Pflicht zu öffentlichen Ausschreibungen, die es Kommunen in vielen Fällen unmöglich machen könnte, einen Auftrag in der Region zu halten. Eine weitere Gefahr auf kommunaler Ebene könnte, so die Kritiker, beispielsweise zu einer Gefahr für die Haßberg-Kliniken werden. Kommunalen Krankenhäusern, die von Städten und Gemeinden finanziert werden, drohen demnach Klagen wegen Wettbewerbsverzerrung durch Unternehmen, die als Investoren eine Privatklinik finanzieren. Ähnliche Gefahren bestünden auch für soziale Verbände, die mit Subventionen unterstützt werden wie beispielsweise die Caritas.
Mehrfach wurde – sowohl von den Parteivertretern als auch von den Besuchern – die Befürchtung zum Ausdruck gebracht, das Abkommen werde vor allem den Unternehmen zugutekommen, nicht den einfachen Bürgern.
Zum Abschluss rief Martin Sage dazu auf, in jedem Fall über das Thema nachzudenken, sich zu informieren und auch andere dazu anzuregen, sich eine Meinung zu bilden.

 

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