BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Kreisverband Haßberge

Große Ablehnung von TTIP & Co.

(Text und Fotos von PeterSchmieder/Haßfurter Tagblatt)

Neben vielen Bürgern waren auch einige Kommunalpolitiker im Saal, darunter die Bürgermeister Günther Werner (Haßfurt), Thomas Stadelmann (Zeil), Stefan Paulus (Knetzgau) und Jürgen Hennemann (Ebern). Moderator Dr. Martin Sage bezeichnete es allerdings als „schwaches Zeichen“, dass trotz persönlicher Einladung an die Abgeordneten Dorothee Bär und Steffen Vogel kein Vertreter der CSU anwesend war. So entstehe der Eindruck, die Partei, die TTIP am stärksten befürwortet, traue sich nicht, sich der Öffentlichkeit zu stellen, „außer in ihren eigenen Bierzelten“.

Eingeladen hatte ein Bündnis aus KAB, Bund Naturschutz, DGB und den Parteien ÖDP, Bündnis 90/Die Grünen und Linkes Bündnis Haßberge, die zwar in vielen Punkten sehr unterschiedliche Ansichten vertreten, sich aber gemeinsam gegen TTIP aussprechen. ÖDP-Kreisvorsitzender Stefan Zettelmeier sagte bei der Begrüßung, alle drei im Kreistag vertretenen Parteien hätten bereits 2014 dort Anträge eingebracht, das Thema zu behandeln, alle drei Anträge seien bislang aber noch nicht auf die Tagesordnung gebracht worden, mit der Begründung, man müsse sich erst besser informieren. Auf dem Podium nahmen Karl Bär, Experte für Agrar- und Handelspolitik vom Umweltinstitut München, Michael Bischof von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW), und Ingenieur Professor Heribert Schmitz Platz.

Martin Sage sagte zu Beginn, es sei überraschend, wie viele Menschen an der großen Demonstration in Berlin am vergangenen Wochenende teilgenommen hatten. Und das, obwohl mit der Flüchtlingskrise derzeit ein anderes Thema alles überlagere. „Wenn sie hoffen, heute Abend etwas über den Inhalt zu erfahren, werden sie enttäuscht“, sagte er, denn noch immer gebe es nur wenige Personen, die das Vertragswerk einsehen dürfen. Und diese wenigen „Auserwählten“ seien zu absolutem Stillschweigen verpflichtet.

Er weiß, dass er sich in die „Höhle des Löwen“ gewagt hat, eröffnete Michael Bischof. Als einziger Befürworter des Abkommens hatte er nicht nur die beiden anderen Diskussionsteilnehmer gegen sich, sondern auch praktisch das gesamte Publikum im Saal. Dass er TTIP befürwortet, begründete Bischof mit wirtschaftlichen Einschränkungen, die durch den Freihandel wegfallen würden. Beispielsweise sprach er von hohen Zöllen, mit denen die USA sich und ihren Markt abschotten. „Muss das sein?“, fragte er und erklärte, durch diese Zölle seien europäische Autos in Amerika 20 bis 25 Prozent teurer – ein großes Handelshemmnis. Weiter sprach Bischof über die Lichter und Blinker am Auto, die nach verschiedenen Vorschriften auf den Kontinenten für Europa und die USA unterschiedlich gebaut werden müssen. Hier könne das Freihandelsabkommen eine Vereinheitlichung bringen. Das Hauptthema von TTIP sei der Abbau von Zöllen und Bürokratie. „Es muss nicht sein, dass Unternehmen solche Probleme bereitet werden“, meinte er.

Heribert Schmitz, Honorarprofessor der Hochschule Furtwangen und früherer Vizepräsident von Hewlett Packard sowie der amerikanischen Handelskammer in Deutschland, sagte, einige Thesen, die er früher vertreten habe, seien für ihn nicht mehr zu halten. Schmitz sei zwar grundsätzlich ein Befürworter des Freihandels, stellte aber die Frage: „Wie müsste ein Freihandelsabkommen aussehen?“ Scharf kritisierte er die große Geheimhaltung. Nicht einmal die deutschen Bundestagsabgeordneten, die irgendwann darüber entscheiden sollen, dürfen die Vertragstexte einsehen. Weiter wehrte er sich gegen den Vorwurf, die Gegner des Abkommens seien „antiamerikanisch“ eingestellt. Die Gefahr sei, dass bei einer Vereinheitlichung von Standards eher nach unten als nach oben angepasst werde, was zu Problemen für den Verbraucherschutz führen könne. Dieses Problem, so Schmitz, bestehe in beide Richtungen, denn in einigen Bereichen seien die europäischen Standards höher, in anderen die amerikanischen. Bischofs Argument der Angleichung technischer Standards widersprach Schmitz: „Warum macht man?s dann nicht einfach?“ Für eine solche Vereinheitlichung brauche es nicht unbedingt das Abkommen TTIP, dessen eigentliche Gründe seiner Meinung nach eher im Verhindern von Regulierungen liegen. In diesem Punkt sprach er von einer „Naivität der Politik“, die nicht erkennt, dass der freie Markt früher oder später zu einer Anpassung nach unten führen müsse, um konkurrenzfähig zu bleiben.

Karl Bär, der das Abkommen ebenfalls ablehnt, warb bereits in einem Flyer mit dem Slogan „TTIP: Freihandel statt Demokratie“. Er sagte, TTIP sei „das transparenteste und offenste Freihandelsabkommen“, das es jemals gegeben habe. Das sei aber nur der Fall, weil die Kritiker von TTIP eine gewisse Öffnung erzwungen haben. Immer noch sei aber vieles unbekannt. „Am Ende müssen die Parlamente mit einem einfachen „Ja oder Nein“ über ein wahrscheinlich mehr als 1000-seitiges Vertragswerk abstimmen, von dessen Inhalt die Politiker jetzt noch keine Ahnung haben“, sagte Bär, der auch die Gefahr sieht, dass durch das Abkommen sinnvolle Regulierungen nicht eingeführt werden, weil sie als Handelshemmnis wahrgenommen werden. Alles müsse dann nach dem Gesichtspunkt bewertet werden, ob es dem Freihandel nützt. „Die, die wir wählen, haben dann immer weniger zu sagen“, meinte er.

Die Geheimhaltung blieb auch im weiteren Verlauf der Diskussion ein großes Thema. Michael Bischof erklärte, diese sei nötig für eine gute Verhandlungsposition. Auch in Tarifverhandlungen würden weder Gewerkschaften noch Arbeitgeber von Anfang an alle Ziele auf den Tisch legen. „Sonst braucht man keine Verhandlungsstrategie mehr, wenn vorher alles öffentlich ist.“ Bischof bezeichnete es als „typisch deutsch“, Panik zu machen wegen Inhalten, von denen man noch gar nicht weiß, ob sie im Abkommen enthalten sein werden. Die andere Seite entgegnete, es könne auch keine Entwarnung geben, so lange nicht sicher sei, dass es nicht im Vertragstext steht.

Auf die Frage, ob es sich bei den oft zitierten Profiteuren aus der Wirtschaft nur um die Großindustrie handelt, entgegnete Bischof, dass auch viele mittelständische Betriebe aus TTIP Vorteile ziehen könnten. Als Beispiel nannte er Automobilzulieferer, für die eine Angleichung der Blinker- und Lichterstandards eine Erleichterung darstelle.

Moderator Sage wollte von den Gegnern des Abkommens einige konkrete Beispiel für Bereiche hören, in denen das Abkommen negative Auswirkungen haben würde. Karl Bär sprach daraufhin beispielsweise über Wachstumshormone für die Fleischproduktion, die in Europa verboten sind, in den USA aber massenhaft eingesetzt werden. Auch der deutsche Widerstand gegen gentechnisch veränderte Produkte werde damit geschwächt. Erschreckend findet Bär auch den Kompromissvorschlag einer Lebensmittelkennzeichnung über den Barcode, den ein Kunde im Supermarkt mit dem Smartphone scannen könne. Dies sei umständlich, außerdem habe nicht jeder ein Smartphone oder immer perfekten Empfang. Auch der Aussage, dass viele der von ihm angesprochenen Probleme gar nicht Teil des Abkommens seien, widersprach er. „Warum gibt es denn solche Kompromissvorschläge, wenn über die Themen angeblich gar nicht verhandelt wird?“

Michael Bischof bekam vor allem in der Diskussion mit den Besuchern viel Gegenwind. Die Kreisräte Rainer Baumgärtner (ödp) und Matthias Lewin (Grüne) äußerten Befürchtungen, dass kommunale Krankenhäuser wie die Haßberg-Kliniken unter dem Abkommen leiden könnten, da Konzerne die Förderung durch Städte und Landkreise als Wettbewerbsverzerrung sehen könnten. Knetzgaus Bürgermeister Stefan Paulus warf auch die Frage auf, ob er sich Sorgen um eine Privatisierung der Wasserversorgung in seiner Gemeinde machen müsse. Heribert Schmitz erwiderte, dies sei kein Problem von TTIP. Doch mit TiSA, dem entsprechenden Abkommen für Dienstleistungen, das derzeit verhandelt wird, könnte das Thema auf die Tagesordnung kommen. Bischof widersprach: Beide Abkommen seien nicht geeignet, um die Privatisierung der Trinkwasserversorgung durchzusetzen. Karl Bär verwies allerdings darauf, dass TiSA noch schwammiger formuliert sei als TTIP. Paulus sprach auch die Folgen für andere Länder an und Schmitz erklärte, es gebe mehrere Studien, die negative Auswirkungen für Entwicklungsländer befürchten.

Ein Argument, das TTIP-Befürworter Bischof anführte, war, dass die EU und die USA gemeinsam stark genug wären, die weltweiten Standards zu setzen. Andernfalls würden diese von anderen Ländern bestimmt. „Ich möchte lieber auf der Lokomotive sitzen, als in einem Waggon“, lautete seine Metapher.

Am Ende der hitzigen Diskussion verabschiedete Matthias Lewin die Gäste. An Michael Bischof gerichtet sagte er: „Sie haben sich in die Höhle des Löwen gewagt. Aber so schlimm war es nicht. Wir haben nicht gebissen, nur ein bisschen gebrüllt.“

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